Kinderschutz in der Kindertagespflege

Eine wichtige Aufgabe und ein zentraler Qualitätsaspekt der nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) durchgeführten Kindertagespflege ist der Kinderschutz. Diese Aufgabe wird durch verschiedene gesetzliche Vorgaben konkretisiert, die sowohl präventive Maßnahmen als auch verbindlich festzuhaltende Verfahrensweisen im Gefährdungsfall umfassen.

§ 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII

Die allgemeine Grundlage für die Aufgaben der Kindertagespflege im Bereich des Kinderschutzes ist in § 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII verankert. Demnach gehört es zu den grundsätzlichen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe, alle Kinder und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen.

§ 8 a Abs. 5 SGB VIII – Vorgehen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung

§ 8 a SGB VIII konkretisiert die Wahrnehmung des Schutzauftrags bei einer (potentiellen) Kindeswohlgefährdung im Einzelfall als Aufgabe der Jugendämter, verdeutlicht aber auch die Verantwortlichkeiten der Träger von Einrichtungen und Diensten (vgl. § 8 a Abs. 4 SGB VIII) sowie der Kindertagespflegepersonen (vgl. § 8 a Abs. 5 SGB VIII). Das Jugendamt ist verpflichtet, mit diesen Akteuren, wenn sie Aufgaben nach dem SGB VIII erbringen, Vereinbarungen abzuschließen, die die Erfüllung des Schutzauftrags auch in deren Verantwortungsbereich sicherstellen.

Die fachlichen Empfehlungen des Bayerischen Landesjugendhilfeausschusses (LJHA) zur Umsetzung des Schutzauftrags nach § 8 a SGB VIII bieten mit detaillierten Beschreibungen der entsprechenden Standards und Verfahrensabläufe Orientierung für alle Beteiligten zu den Pflichten und Vorgehensweisen bei der Umsetzung des Schutzauftrags.

Für die Kindertagespflege ist in den fachlichen Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrags nach § 8 a SGB VIII in Kapitel III eine Mustervereinbarung zur Orientierung hinterlegt, die nicht nur die Handlungsschritte der Kindertagespflegeperson beschreibt, wenn sie gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihr betreuten Kindes wahrnimmt, sondern auch die Unterstützungspflicht des Jugendamtes gegenüber der Kindertagespflegeperson in Fragen des Kinderschutzes. So muss eine Kindertagespflegeperson bei der Wahrnehmung gewichtiger Anhaltspunkte für eine (vermutete) Kindeswohlgefährdung eine insoweit erfahrene Fachkraft beratend hinzuziehen. Zudem muss sie die Erziehungsberechtigten und das Kind in die Gefährdungseinschätzung einbeziehen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes nicht in Frage gestellt wird. Die Kindertagespflegeperson sollte des Weiteren bei den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, wenn sie diese für erforderlich hält, und das Jugendamt informieren, falls die Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann.

Die Umsetzung dieser äußerst verantwortungsvollen Aufgabe durch eine Kindertagespflegeperson, die in der Regel keine Fachkraft der Jugendhilfe ist, kann nur gelingen, wenn

  • sie ihre Rolle im Kinderschutz versteht,
  • sie den Hintergrund der einzelnen Handlungsschritte begreift,
  • sie ihre Unsicherheiten z. B. beim Erkennen von gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung thematisieren kann,
  • sie ihre Kompetenzen über Schulungen erweitern kann und
  • sie die relevanten Ansprechpersonen für Kinderschutzthemen, Institutionen und insoweit erfahrenen Fachkräfte bzw. deren Kontaktdaten kennt.

Das Jugendamt muss seinen Beitrag leisten, damit sich die Kindertagespflegeperson im Rahmen der Qualifizierung die erforderlichen Kenntnisse aneignen und kontinuierlich erweitern kann und über das Verfahren sowie die Unterstützungssysteme informiert ist.

Daher können Sicherstellungsvereinbarungen auch nicht als einseitige Festlegung seitens des Jugendamtes greifen, die von den Kindertagespflegepersonen nur unterschrieben werden, sondern sie müssen mit der jeweiligen Kindertagespflegeperson bezüglich der spezifischen Rahmenbedingungen abgestimmt, besprochen und ggf. adaptiert werden.

Nur so kann auch in der Kindertagespflege im Gefährdungsfall eine in sich geschlossene Reaktionskette, deren wesentliche Elemente Wahrnehmen, Einschätzen, Urteilen und Handeln sind, sichergestellt werden.

§ 43 SGB VIII - Erlaubnis zur Kindertagespflege als präventive Maßnahme

Eine Person, die ein Kind oder mehrere Kinder außerhalb des Haushalts des Erziehungsberechtigten während eines Teils des Tages und mehr als 15 Stunden wöchentlich gegen Entgelt länger als drei Monate betreuen will (= Kindertagespflege), bedarf gem. § 43 SGB VIII der Erlaubnis. Die Erlaubnispflicht intendiert präventiv, jede auf Dauer angelegte Kindertagespflege außerhalb des Haushalts der Familie der Kontrolle des Jugendamts zu unterstellen und damit den Schutz der in Kindertagespflege betreuten Kinder zu verbessern.

Die Erteilung der Erlaubnis ist deshalb an eine positive Feststellung der Eignung einer Kindestagespflegeperson geknüpft. Dies setzt neben der persönlichen Eignung (erweitertes Führungszeugnis, Kompetenzen, vertiefte Kenntnisse hinsichtlich der Anforderungen der Kindertagespflege) auch kindgerechte Räumlichkeiten voraus.

Wenn andere im Haushalt lebende volljährige Personen während der Tagesbetreuungszeit regelmäßig anwesend sind, kann z.B. auch von diesen Personen ein erweitertes Führungszeugnis verlangt werden.

Neben der Erteilung der Erlaubnis anhand der gesetzlich definierten Prüfkriterien und Mindeststandards obliegt den Jugendämtern auch die Aufgabe, eine umfassende Fachberatung der Kindertagespflegepersonen zu leisten – auch zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt (§ 43 Abs. 4 SGB VIII) – sowie, Leistungen wie Qualifizierungen anzubieten.

Den Jugendämtern stehen, um dem Schutzgedanken ausreichend Rechnung tragen zu können, verschiedene Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung, wie z. B. die Pflegeerlaubnis mit Nebenbestimmungen zu versehen oder im Zweifel nicht zu erteilen.

§ 43 SGB VIII fordert außerdem, dass die nach Erteilung der Pflegeerlaubnis tatsächlich tätige Kindertagespflegeperson den Träger der öffentlichen Jugendhilfe über wichtige Ereignisse unterrichtet, die für die Betreuung des oder der Kinder bedeutsam sind. Zu diesen Ereignissen können soziale Auffälligkeiten des Kindes oder seiner Eltern und schwere Erkrankungen zählen, aber auch Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung.

Pädagogische Qualitätsbegleitung (PQB) als präventive Maßnahme

Zusätzlich zur Fachberatung nach § 43 Abs. 4 SGB VIII können (Groß)-Tagespflegestellen seit 01.01.2023 auch Pädagogische Qualitätsbegleitung (PQB) in Anspruch nehmen (Richtlinie zur Förderung des Einsatzes von Pädagogischen Qualitätsbegleiterinnen und Qualitätsbegleitern in Kindertageseinrichtungen und (Groß-)Tagespflegestellen). Die PQB haben die Aufgabe, Kindertageseinrichtungen und (Groß-)Tagespflegestellen darin zu unterstützen und beratend zu begleiten, ihre pädagogische Qualität mit Fokus auf Interaktionsqualität kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu sichern. Auch dieses Angebot kann zu den präventiven Maßnahmen im Kinderschutz gezählt werden. PQB kann die Kindertageseinrichtungen und (Groß-)Tagespflegestellen darin unterstützen und beratend begleiten, ihre pädagogische Qualität mit Fokus auf Interaktionsqualität kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu sichern. Die PQB kann in Form Hospitationen, Coaching, videogestützte Interaktionsbegleitung etc. erfolgen.

§ 18 Satz 4 AVBayKiBiG als präventive Maßnahme

Landesrechtliche, über § 43 SGB VIII hinausgehende Vorgaben zur Pflegeerlaubnis existieren bis auf die Begrenzung auf bis zu höchstens acht Pflegeverhältnisse pro Tagespflegeperson (vgl. Art. 9 Abs. 2 BayKiBiG) nicht. Der Freistaat Bayern macht jedoch in § 18 AVBayKiBiG seine staatliche Refinanzierung davon abhängig, dass die Kindertagespflegeperson an einer Qualifizierungsmaßnahme im Umfang von mindestens 160 Stunden bzw. 300 Stunden bei Betreuung von Kindern unter einem Jahr und an Fortbildungsmaßnahmen im Umfang von mindestens 15 Stunden jährlich teilnimmt, sowie unangemeldete Kontrollen duldet. Diese jährlichen Fortbildungen sollen aktuelle Themen und Entwicklungen der Kindertagespflege aufgreifen. Auch Fortbildungen zur Thematik „Kinderschutz“ stellen hier eine Möglichkeit dar, vorhandenes Wissen zu festigen sowie zu erweitern.

Art. 9 b Abs. 2 BayKiBiG Vorlage der Früherkennungsuntersuchung als präventive Maßnahme

Eltern bzw. Erziehungsberechtigte sind gem. Art. 9 b Abs. 2 BayKiBiG verpflichtet, bei der Aufnahme eines Kindes der Kindertagespflegeperson eine Bestätigung über die Teilnahme des Kindes an der letzten fälligen altersgemäßen Früherkennungsuntersuchung vorzulegen.

Die Untersuchungen dienen der regelmäßigen ärztlichen Überprüfung des allgemeinen Gesundheitszustands und der altersgerechten Entwicklung des Kindes. Dadurch können potenzielle Probleme oder Auffälligkeiten frühzeitig erkannt und entsprechend behandelt werden.

Die Vorlage eines Nachweises ist keine zwingende Voraussetzung für den Abschluss eines Pflegeverhältnisses. Durch die Aufforderung sollen Eltern bzw. Erziehungsberechtigte aber an die Notwendigkeit der Untersuchung erinnert werden.

Die Ergebnisse der Früherkennungsuntersuchungen liefern den Kindertagespflegepersonen wichtige Informationen, um auf mögliche Entwicklungsabweichungen pädagogisch reagieren und einer eventuell erhöhten Schutzbedürftigkeit des Kindes angemessen begegnen zu können. Sie stellen somit ein weiteres präventives Element im Kinderschutz der Kindertagespflege dar.

Individuelle Schutzkonzepte der Kindertagespflege als präventive Maßnahme

Die Erstellung eines auf die einzelne Kindertagespflegestelle zugeschnittenen Schutzkonzeptes zur Sicherung der Rechte der betreuten Kinder und zu deren Schutz vor Gewalt ist für die Kindertagespflege nicht gesetzlich vorgeschrieben – anders als in erlaubnispflichtigen Einrichtungen (§ 45 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII) oder in der Familienpflege (§ 37 b Abs. 1,2 SGB VIII). Sie wird jedoch ergänzend zu den Sicherstellungsvereinbarungen gem. § 8 a Abs. 5 SGB VIII empfohlen, da ein Schutzkonzept neben den Vorgehensweisen im Gefährdungsfall vor allem auch präventiv wirkende Elemente des Kinderschutzes in der Kindertagespflege beschreiben soll.

Ein Schutzkonzept fördert die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Kinderschutz und ermöglicht die Untersuchung aller wesentlichen Bereiche der Kindertagespflegestelle. Dadurch können (mögliche) Risiken und Gefahrenpotenziale frühzeitig erkannt und Gefährdungssituationen, die möglicherweise auch durch das eigene Handeln entstehen könnten, vermieden werden.

Autor: BLJA, zuletzt geändert am 13.11.204