Orientierungshilfe zur Eignungsfeststellung des BLJA

Die fachliche Urteilsbildung über die Eignung der Bewerberinnen ist handlungsleitender Bestandteil aller Gespräche mit den Bewerberinnen in jedem einzelnen Antragsverfahren. Eignungskriterien für die Eignungsfeststellung sind im Grunde jeder Fachkraft bekannt und vielfach publiziert. Der Gesetzgeber definiert beispielsweise geeignete Personen als Personen, die sich durch ihre Persönlichkeit, Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft auszeichnen und über kindgerechte Räume verfügen. Zurück bleiben eine Menge Fragen: Was zeichnet eine geeignete Persönlichkeit aus? Was verstehen wir unter Sachkompetenz? Woran erkenne ich, ob die Bewerberin mit Konflikten gut umgehen kann?... Und der Wunsch nach einer Checkliste klar überprüfbarer Kriterien der Eignung und Nichteignung, die nach Einschätzung des Bayerischen Landesjugendamts jedoch nicht zielführend sein kann.

Zentraler Bestandteil der Eignungsfeststellung ist das Gespräch bzw. der Hausbesuch.
Schon vor und während der Gespräche muss die Fachkraft Hypothesen über einzelne Eigenschaften, Einstellungen, Wissensbestände und Kompetenzen der Bewerberin bilden, diese während der Gespräche überprüfen, gegebenenfalls modifizieren und im Anschluss gewichten und abwägen.

Um den Prozess zu erleichtern und die Entscheidung auf eine möglichst breite Basis zu stellen hat das Bayerische Landesjugendamt versucht, die einzelnen Kriterien anhand von Praxisindikatoren und Konkretisierungen mit „Leben" zu füllen. Die Aufstellung soll dabei unterstützen, sich auf ein Bewerbergespräch vorzubereiten, den Blick zu erweitern, entsprechende Fragestellungen zu entwickeln und nach dem Gespräch zu überprüfen, ob die wesentlichen Themen angesprochen wurden. Keinesfalls ist sie dafür gedacht, im Sinne einer Checkliste abgearbeitet zu werden. Selbstverständlich erhebt sie auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und die Bewerberin muss auch nicht alle Kriterien erfüllen. Am Ende der Beurteilung steht immer ein sorgfältiges Abwägen möglichst objektiv erfasster Kriterien und im Fall von Zweifeln und „Bauchschmerzen" die Notwendigkeit weiterer Gespräche.

Die in der Orientierungshilfe operationalisierten Kriterien sind in Anlehnung an den in den Praxismaterialien des Deutschen Jugendinstituts zur Eignung von Tagespflegepersonen genannten Kriterien entstanden.

Da nach wie vor die weit überwiegende Anzahl der Tagespflegepersonen in Bayern weiblich ist, erlauben wir uns im Sinne einer besseren Lesbarkeit im Text generell die weibliche Form zu verwenden.

A) Persönlichkeit der Tagespflegeperson

1. Grundhaltung in Beziehung zu Kindern:

  • Positive Motivation für die Aufgabe

    • Die Bewerberin kann ihre Ziele und Perspektiven als Tagesmutter benennen.

    • Sie kann den „Weg" beschreiben, der zur Entscheidung für die Aufnahme eines Tageskindes geführt hat.

    • Die Bewerberin hat eine stimmige und nachvollziehbare, am Kind orientierte Motivation für diese Tätigkeit.

    • Sie hat sich über ihre Rolle als Tagespflegeperson und den damit verbundenen Erwartungen auseinandergesetzt.

    • Ihre Vorstellungen über die Tätigkeit als Tagespflegeperson sind realistisch.

  • Freude am Umgang mit Kindern

    • Die Bewerberin hat Erfahrung im Umgang mit Kindern.

    • Sie geht achtsam und wertschätzend mit den eigenen Kindern um.

    • Sie erzählt anschaulich von positiven Erlebnissen mit Kindern.

    • Sie kann eigene Vorlieben und Hobbys für die Kinderbetreuung nutzen (musizieren, basteln, kochen...).

    • Sie erlebt das Zusammensein mit Kindern als Bereicherung.

    • Die Bewerberin kann auch anstrengenden Alltagssituationen mit Humor begegnen.

  • Achtung, Respekt vor Kindern und deren Bedürfnissen

    • Kinder werden von der Bewerberin als eigenständige Persönlichkeit mit vielfältigen Kompetenzen wahrgenommen.

    • Die eigene Rolle wird in der Begleitung, Bildung und Förderung der kindlichen Entwicklung gesehen.

    • Beim Hausbesuch/Gespräch unterbricht die Bewerberin das Gespräch situationsangemessen, wenn das Kind ein wichtiges Anliegen hat.

    • Sie begibt sich beim Sprechen mit kleinen Kindern auf deren Augenhöhe.

    • Sie nimmt sich im Alltag bewusst Zeit, um mit ihren Kindern zu spielen und sich mit ihnen zu beschäftigen (nach Tagesplanung fragen).

    • Sie spricht weder abwertend (z. B. „von denen") über Kinder noch undifferenziert „verherrlichend".

    • Die Bewerberin ist feinfühlig und kann die Bedürfnisse von Kindern wahrnehmen und angemessen darauf reagieren.

    • Sie setzt Grenzen sinnvoll, wertschätzend und konsequent.

    • Sie kann darüber Auskunft geben, wie im Alltag Strukturen und Grenzen respektvoll durchgesetzt werden.

  • Reflektiertes erzieherisches Handeln

    • Die Bewerberin ist in der Lage, eigenes Erziehungsverhalten kritisch zu hinterfragen und Fehler einzugestehen.

    • Sie kennt ihre Stärken und Schwächen im erzieherischen Alltag.

    • Sie berichtet über konflikthafte Alltagssituationen mit Kindern reflektiert und lebendig (authentisch).

2. Grundhaltung in Beziehung zu Erwachsenen:

Achtung und Toleranz gegenüber anderen Lebensentwürfen,
Erziehungsstilen und Lebenssituationen, Offenheit

  • Die Bewerberin zeigt Interesse, fragt nach, informiert sich über die Lebenssituation von Familien, die für ihr Kind eine Tagesmutter suchen.

  • Sie wertet und urteilt nicht über Lebensentwürfe.

  • Sie steht ihrem eigenen Lebensentwurf positiv gegenüber.

  • Sie ist mit belehrenden Ratschlägen zurückhaltend.

  • Sie ist offen gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund, mit Behinderungen, aus anderen sozialen Schichten .... (nimmt z. B. an Festen anderer Kulturen teil).

3. Eigenschaften und Fähigkeiten:

  • Gefestigte, lebensbejahende Persönlichkeit

    • Die Bewerberin hat einen Schulabschluss und eine nachvollziehbare (berufliche) Biographie.

    • Sie verfügt über stabile soziale Beziehungen.

    • Sie bringt eine positive Zukunftserwartung zum Ausdruck.

    • Im Gespräch sind keine Hinweise auf zwanghaftes Verhalten, Ängste, Depressionen oder andere psychische Auffälligkeiten erkennbar.

    • Die Bewerberin pflegt eigene Interessen und Hobbies.

  • Flexibilität
    Flexibilität meint hier nicht in erster Linie eine zeitliche Flexibilität des Betreuungsangebots, sondern geistige Flexibilität beispielsweise im Umgang mit Veränderungen.

    • Die Bewerberin zeigt im Gespräch, dass sie sich in Andere hineinversetzen kann.

    • Für unvorhergesehene Situationen kann sie verschiedene Handlungsstrategien entwickeln.

    • Sie äußert Verständnis, wenn berufstätige Eltern ausnahmsweise zu spät kommen.

  • Lernbereitschaft

    • Die Bewerberin zeigt Interesse und Bereitschaft für Qualifizierung und Fortbildung.

    • Sie kennt fachspezifische Literatur.

    • Sie zeigt Interesse am Austausch mit anderen Tagespflegepersonen und weiteren Kooperationspartnern wie Schule und Kindertageseinrichtung.

  • Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein

    • Die Bewerberin kommt zuverlässig und pünktlich zu vereinbarten Terminen.

    • Unterlagen werden vollständig und zeitnah beigebracht.

    • Der Bewerberin ist bewusst, dass sie Vorbildfunktion hat (z. B. beim Thema „Rauchen").

    • Sie weiß, dass sie während der Betreuungszeit die alleinige Verantwortung für das Wohlergehen der betreuten Kinder trägt.

    • Sie hat eine realistische Vorstellung, welchen Betreuungsumfang sie zur Verfügung stellen kann.

  • Organisationskompetenz

    • Die Bewerberin strukturiert ihren Tagesablauf und führt den Haushalt kompetent.

    • Sie ist sich darüber im Klaren, wie die neue Aufgabe den Tagesablauf verändert und kann sich darauf einstellen.

    • Sie verfügt über ein Repertoire an Möglichkeiten und Ideen zur Tagesgestaltung.

    • Sie hat die Fähigkeit und Bereitschaft, die Anforderungen an eine selbständige Tätigkeit zu bewältigen (Steuer, Versicherung, Altersvorsorge...).

  • Physische und psychische Belastbarkeit

    • Die Bewerberin kennt ihre eigenen Belastungsgrenzen.

    • Sie achtet darauf, dass diese Grenzen nicht überschritten werden.

    • Sie weiß, wie sie in Stresssituationen reagiert und wann und wo sie sich Unterstützung holen kann (hat einen „Plan B").

    • Nach Belastungen kennt sie Möglichkeiten, sich zu erholen.

    • Sie hat sich realistisch damit auseinandergesetzt, welche Kinder in ihre Familie passen (Alter, Anzahl der Kinder, Behinderung, verhaltensauffällige Kinder, ...).

  • Reflexions- und Kritikfähigkeit

    • Die Bewerberin hat nicht auf alles sofort eine Antwort; sondern nimmt sich die Zeit nachzudenken.

    • Sie kann sich auf neue Themen und andere Sichtweisen einlassen und setzt sich damit auseinander.

    • Sie reflektiert kritisch über eigenes erzieherisches Handeln.

    • Bei angesprochenen Kritikpunkten kann sich die Bewerberin auf konstruktive Lösungen einlassen.

    • Sie hat die Fähigkeit, eigene Haltungen zu überdenken und ggfs. zu ändern.

    • Vereinbarte Lösungen werden umgesetzt.

  • Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit
    Von Tagespflegepersonen wird erwartet, dass sie insbesondere mit den Eltern der Tagespflegekinder, dem Fachdienst Kindertagespflege, anderen Tagespflegepersonen und Kindertagesstätten kooperieren.

    • Die Bewerberin zeigt Interesse an kollegialem Austausch und der Teilnahme an Arbeitskreisen/Vernetzungstreffen.

    • Sie ist zur kollegialen Unterstützung im Praxisalltag bereit (Ersatzbetreuung).

    • Sie hat Interesse und begrüßt die Zusammenarbeit mit dem Fachdienst Kindertagespflege.

    • Sie bewertet die Mitteilungspflicht gemäß § 43 SGB VIII als Teil ihres beruflichen Selbstverständnisses.

    • Sie kann sich eine Kooperation mit Kindertagesstätten und Schulen im Sinne eines gelingenden Übergangs für das Tagespflegekind vorstellen.

    • Sie ist bereit, unangemeldete Hausbesuche zuzulassen.

    • Die Bewerberin ist bereits in lokalen Netzwerken aktiv (z. B. Elternbeirat, Spielgruppe, Verein.).

  • Fähigkeit zum konstruktiven Umgang mit Konflikten

    • Die Bewerberin kann zuhören und berechtigte Kritik annehmen.

    • Sie kennt Gesprächsregeln und kann diese auch anwenden.

    • Sie kann mögliche Konfliktpotentiale in der Kindertagespflege erkennen.

    • Sie kennt angemessene Konfliktlösungsstrategien und kann diese anhand von Beispielsituationen erläutern.

    • Sie kann sich bei Konflikten ausreichend emotional distanzieren.

    • Sie kann sich vorstellen, im Konfliktfall rechtzeitig Beratungsbedarf bei der Fachkraft anzumelden.

  • Verschwiegenheit gegenüber Außenstehenden

    • Die Bewerberin kennt und akzeptiert ihre Pflicht zur Verschwiegenheit.

    • Sie gibt eine Erklärung (schriftlich) zur Einhaltung der Schweigepflicht und des Datenschutzes ab.

    • Sie spricht nicht abwertend über andere Personen.

  • Ausreichende Deutschkenntnisse
    Bei von Eltern gewünschter bilingualer Erziehung kann im Einzelfall davon abgewichen werden.

    • Die Bewerberin kann sich allgemeinverständlich ausdrücken (mindestens Sprachstandsniveau B2).

    • Sie kann dem Gespräch folgen und die Inhalte, auch im Hinblick auf die Teilnahme an Qualifizierung und Fortbildung verstehen.

4. Fachinteresse:

  • Positive, engagierte Einstellung zur Betreuungsform Kindertagespflege

    • Kindertagespflege wird als qualifiziertes Betreuungsangebot verstanden.

    • Die Bewerberin zeigt Interesse am fachlichen Austausch mit anderen Tagespflegepersonen.

    • Sie erkennt, dass Kindertagespflege ein verlässliches Betreuungsangebot für Eltern sein muss (Ersatzbetreuung).

  • Interesse an Bildung und Erziehung von Kindern

    • Die Bewerberin setzt sich mit aktuellen pädagogischen Entwicklungen auseinander.

    • Sie kennt einschlägige Fachliteratur oder hat Vorträge besucht.

    • Sie verbindet eigene Vorstellungen mit den Begriffen Bildung und Erziehung.

  • Bereitschaft zur Qualifikation

    • Die Bewerberin steht der Teilnahme am Qualifizierungskurs positiv gegenüber.

    • Sie stellt interessiert Fragen zu den Inhalten des Kurses.

    • Sie begrüßt das Angebot von Fortbildungsveranstaltungen.

  • Professionelle Haltung

    • Das äußere Erscheinungsbild ist gepflegt.

    • Die Bewerberin hat sich Gedanken über ihr Betreuungsangebot gemacht.

    • Sie zeigt Verständnis für die Notwendigkeit einer professionellen Distanz zur Familie des Kindes.

    • Sie geht sachlich und objektiv mit angesprochenen Themen um.

    • Sie kann klare Aussagen zu einer längerfristigen Perspektive (mindestens ein Jahr) als Tagespflegeperson machen.

B) Sachkompetenz

Sachkompetenz meint das Wissen um die besonderen Anforderungen und Bedürfnisse im Zusammenhang mit der Kindertagespflege und die praktische Befähigung zur Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern in der Kindertagespflege (DJI). Eine exakte Abgrenzung zur Beschreibung der Eigenschaften und Fähigkeiten ist kaum möglich, da es hier immer wieder zu Überschneidungen kommt.

  • Die Bewerberin hat Erfahrung im Zusammenleben mit Kindern.
  • Sie ist in der Lage, sich Wissen anzueignen.
  • Sie besitzt grundlegende Kenntnisse über die Bedürfnisse und die Entwicklung von Kindern.
  • Sie verfügt über Kooperative Kompetenzen (siehe Punkt Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit).
  • Die Bewerberin ist in der Lage, ihren Haushalt so zu managen, dass erforderliche hygienische Standards eingehalten werden.
  • Sie sorgt für gesunde Ernährung in ihrer Familie.
  • Sie ist mit den organisatorischen Anforderungen von Haushaltsführung vertraut.
  • Sie kann die mit der Kindertagespflege zusammenhängenden vertrags¬und sozialversicherungsrechtlichen Anforderungen bewältigen (administrative Kompetenz).

C) Kindgerechte Räumlichkeiten

  • Es gibt ausreichend Platz für Kinder.
  • Die Räumlichkeiten bieten altersgerechte Möglichkeiten für Bildungsprozesse, Bewegung, Spiel, Ruhe.
  • Für jedes Kind unter 6 Jahren steht eine Schlafmöglichkeit zur Verfügung.
  • Kinder im Schulalter können in Ruhe ihre Hausaufgaben machen und lernen.
  • Die Räume sind sauber, hell, freundlich, praktisch und kindgerecht eingerichtet.
  • Sie sind ausgestattet mit Spiel- und Lernmaterial, das dem Alter und Entwicklungsstand angemessene Bildungserfahrungen ermöglicht.
  • Sie erfüllen die notwendigen Sicherheitsstandards (Ausführungen dazu beim Unfallversicherungsträger).
  • Ein Garten oder gut erreichbare Freiflächen sind vorhanden.
  • Die Räume, in denen sich Kinder aufhalten, sind rauchfrei.
  • Die Frage der Tierhaltung ist abgestimmt, hygienische Beeinträchtigungen sind ausgeschlossen.

D) Eignung der Tagespflegefamilie

  • Alle Familienmitglieder sind der Fachkraft persönlich bekannt.
  • Alle Familienmitglieder stehen der angestrebten Tätigkeit als Tagespflegeperson positiv gegenüber.
  • Von allen volljährigen, im Haushalt lebenden Personen liegt ein erweitertes Führungszeugnis vor.
  • In der Familie herrscht eine positive, gewaltfreie Atmosphäre.
  • Die Familienmitglieder gehen respektvoll miteinander um.

Autor: BLJA, zuletzt geprüft am 15.01.2024