Kindertagespflege als Hilfe zur Erziehung
Inhaltsverzeichnis
Kindertagespflege gemäß §§ 22, 23 SGB VIII
Kindertagespflege gemäß §§ 22, 23 SGB VIII bezeichnet ein Angebot zur Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern durch eine Tagespflegeperson und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Dabei ist auch die Vermittlung orientierender Werte und Regeln eingeschlossen. Aufgrund der individuellen Betreuungssituation ist das Angebot besonders gut für die Altersgruppe der unter Dreijährigen geeignet.
Kindertagespflege gemäß § 22, 23 SGB VIII dient der Förderung der Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit und soll die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen. Weiterhin trägt sie maßgeblich zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei.
Gemäß § 24 SGB VIII hat das Kind den Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung. Einem unterschiedlich hohen Betreuungsaufwand ist Rechnung zu tragen.
Dabei ist auf eine klare Abgrenzung zur Tagespflege als Hilfe zur Erziehung im Sinne der §§ 27, 32 SGB VIII zu achten.
Tagespflege gemäß § 32 SGB VIII
Gemäß § 32 SGB VIII soll Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen durch soziales Lernen in der Gruppe, Begleitung der schulischen Förderung und Elternarbeit unterstützen, um dadurch den Verbleib des Kindes in der Familie zu sichern und eine Fremdplatzierung des jungen Menschen über Tag und Nacht zu vermeiden. Die Hilfe kann auch in einer geeigneten Form der Familienpflege geleistet werden.
Hilfe zur Erziehung gemäß § 32 SGB VIII richtet sich an Kinder und Jugendliche mit besonderen Betreuungsbedarfen, die sich häufig in ausgeprägten Entwicklungsverzögerungen und/oder Verhaltensauffälligkeiten äußern. Vielfach wird deshalb die Integration von therapeutischen oder heilpädagogischen Behandlungsmaßnahmen in den Betreuungs- und Familienalltag notwendig.
Die Eltern dieser Zielgruppe haben als Personensorgeberechtigte einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Erziehung. Dieser Anspruch ist gegeben, wenn eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist oder die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.
Es kann sich dabei unter anderem um
- Alleinerziehende ohne Unterstützungssystem,
- Eltern mit fehlendem Erziehungswissen,
- Familien, die von Armut oder Arbeitslosigkeit betroffen sind oder über geringe Bildungsressourcen verfügen,
- Eltern mit psychischen, schweren chronischen oder Suchterkrankungen,
- Eltern in Überforderungs- und Krisensituationen,
- Eltern mit einer eigenen belasteten Biografie,
- Eltern mit eigener Gewalterfahrung,
- Familien mit Partnerschaftsgewalt
handeln.
Bei einer Gewährung einer Hilfe zur Erziehung nach § 32 SGB VIII muss die Herkunftsfamilie in der Lage sein, die Grundversorgung des Kindes oder Jugendlichen sicher zu stellen. Die Eltern müssen über ausreichend Erziehungskompetenz verfügen und eine konkrete Kindeswohlgefährdung muss ausgeschlossen sein.
Aufgaben der Tagespflegepersonen gemäß § 32 SGB VIII
Die Aufgabe der Tagespflegefamilie ist es, die Entwicklungsdefizite der Kinder im kognitiven, emotionalen und sozialen Bereich nach Möglichkeit auszugleichen und in Zusammenarbeit mit den Eltern eine Verbesserung in der Herkunftsfamilie und der dortigen Erziehungsbedingungen zu erzielen.
Tagespflege als Hilfe zur Erziehung
- umfasst sowohl die Früherkennung von Belastungen in Familien als auch von Förderbedarfen von Kindern und Jugendlichen sowie von Anzeichen von Vernachlässigung und Gewalt gegen junge Menschen.
- stellt ein Förderangebot zur Gewährleistung einer gesunden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus belasteten Familien dar.
- dient der heilpädagogischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungsrückständen.
- ist ein Entlastungsangebot für Eltern in Überforderungssituationen.
- dient dem Coaching der Eltern zur Verbesserung ihrer Erziehungskompetenzen.
- richtet sich an Kinder und Jugendliche mit erhöhtem Förderbedarf und erfordert deshalb einen erhöhten Betreuungsaufwand. Die Aufnahme mehrerer Tagespflegekinder in einer Pflegefamilie ist damit eingeschränkt.
Anforderungen an Tagespflegepersonen gemäß § 32 SGB VIII in Abgrenzung zu
§§ 22, 23 SGB VIII
Im Vergleich zur Kindertagespflege gemäß §§ 22,23 SGB VIII setzt Tagespflege gemäß § 32 SGB VIII höhere pädagogische Standards voraus und stellt damit zusätzliche differenzierte Anforderungen an die Vorbereitung, Qualifizierung und Fachkenntnis der Tagespflegeperson:
- Aufgrund der differenzierten Problemlagen in der Herkunftsfamilie benötigen Tagesmütter und -väter, die Tagespflege gemäß § 32 SGB VIII anbieten, hinreichend Erfahrung in unterschiedlichen pädagogischen Handlungsfeldern. Hierzu zählen beispielsweise auch fachspezifisches Wissen über Belastungs- und Risikofaktoren in Familien, Wissen über Anzeichen von Vernachlässigung und Gewalt sowie Kenntnisse über Methoden der Entwicklungsförderung und der Elternarbeit.
- Die Tagespflegeeltern sowie deren Familienmitglieder sollten aufgrund der Belastungsfaktoren, die die Herkunftsfamilien mitbringen, besonders gefestigte Persönlichkeiten sein und über eine erhöhte Belastbarkeit verfügen.
- Tagespflegeeltern, die Tagespflege gemäß § 32 SGB VIII anbieten, müssen die Bereitschaft mitbringen, sich in erhöhtem Maße in die Betreuung und Förderung der Kinder und Jugendlichen sowie in eine intensive Zusammenarbeit mit den Eltern einzubringen. Hierfür ist ein ausgeprägtes Maß an Einfühlungsvermögen, Offenheit und Bereitschaft, sich mit unterschiedlichen Lebenslagen auseinander zu setzen, notwendig.
- Weiterhin ist die Bereitschaft zur engen Kooperation mit dem Jugendamt, zur schriftlichen Berichterstattung sowie zur Mitwirkung an einer regelmäßigen Hilfeplanung erforderlich.
Qualitätssicherung in der Tagespflege gem. § 32 SGB VIII
Ziele einer gelungenen Tagespflege als Hilfe zur Erziehung sind der Schutz des Kindes, sein Erleben von sicherer Bindung, die Förderung einer gesunden altersgemäßen Entwicklung sowie die Sicherung des Verbleibs des Kindes in seiner Herkunftsfamilie. Die Eltern sollen durch die Hilfe selbst zur Ausübung ihrer Erziehungsverantwortung befähigt werden und Selbstwirksamkeit erleben.
Um diese Qualitätsstandards zu gewährleisten und einer nicht bedarfsgerechten Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit einem erhöhten Förderbedarf in einer Tagespflege vorzubeugen, sind eine enge fachliche Begleitung der Tagespflegekräfte in Form von Aus- und Fortbildung, Supervision und kollegialer Beratung sowie Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung erforderlich. Gleichzeitig muss durch das betreuende Jugendamt immer eine differenzierte Falldiagnostik erfolgen, um den Einsatz der geeigneten Hilfe für den Einzelfall sicherzustellen.
Für Hilfen zur Erziehung gilt das Fachkräftegebot. Damit ist für die Tagespflege gemäß § 32 SGB VIII eine pädagogische Berufsausbildung erforderlich (vgl. § 72 SGB VIII). Wie bei der Hilfe zur Erziehung gemäß § 32 SGB VIII „Erziehung in einer Tagesgruppe“ ist auch hier das Hilfeplanverfahren durchzuführen.
Die erhöhten Anforderungen und die in diesem Bereich der Tagespflege besondere Leistung der Tagesmütter und -väter sollten sich nicht zuletzt in einer angemessenen Bezahlung widerspiegeln.
Diese Tabelle zeigt die Unterschiede zwischen Kindertagespflege nach §§ 22, 23 SGB VIII und Tagespflege nach § 32 SGB VIII.
Autor: BLJA, zuletzt geändert am 05.04.2023